Sie erinnert an die in der schlesischen und sudetendeutschen Heimat zurück gelassenen Toten


Nach dem Ende des 2. Weltkriegs lebten in Tittling viele Heimatvertriebene, die ihre Heimat und ihr Hab und Gut verloren hatten. Schon bald trug man sich mit dem Gedanken, zur Erinnerung an die verstorbenen Angehörigen ein Ehrenmal am 1859 angelegten Tittlinger Friedhof an der Herrenstra­ße zu errichten.

Der katholische Pfarrer Josef Irnfrieder und die Kirchenverwaltung standen diesem Wunsch der Heimatver­triebenen aufge­schlossen gegenüber und stellten für dieses Vorhaben die halbverfallene Grabkapelle am da­maligen Westrand des Friedhofs zur Verfügung.

Viele Heimatvertriebene waren evangelisch. Sie kamen in eine seit Jahrhunderten katholisch gepräg­te Umge­bung. Bald bildete sich eine kleine evangelische Kirchengemeinde. Im Jahr 1946 waren von den rund 900 Neubürgern, wie man damals die Heimatvertriebenen auch bezeichnete, 380 evange­lisch (1939: 14 Personen). Das angedachte Vorhaben war im Nachhinein betrachtet das erste größe­re ökumenische Projekt in unserer Ge­meinde.

Ende 1950 stellten die Landsmannschaften der Sudetendeutschen (Sprecher Walter Herles) und der Schlesier (Sprecher Alfred Kubatsch) konkrete Überlegungen zur Realisierung an. Am Allerheili­gentag 1950 fand be­reits eine Feierstunde bei der provisorisch ausgestalteten Kapelle statt.

Die eigentlichen Umbauarbeiten im Frühjahr 1951 wurden hauptsächlich durch Heimatvertriebene durchge­führt. Die örtliche Geschäftswelt unterstützte das Vorhaben.

Die Gedenktafel schnitzte der heimatvertriebene Geigenbauer Kohl. Darauf ist zu lesen: „In treuem Geden­ken an die Toten in der verlorenen Heimat, Die Heimatvertriebenen, 1951“.

Die gärtnerische Ausgestaltung besorgte der Gärtner Hruby und die Maurerarbeiten Ferdinand Schwan.

Das schmiedeeiserne Gitter wurde vom Schlossermeister Weinberger hergestellt.

Die Figur des Gekreuzigten stammt vom Spiegelauer Bildhauer Johann Lentner (1894 – 1977).

Die Einweihung fand am 27. Mai 1951 nach dem Gottesdienst der beiden Konfessionen statt.

Ein langer Zug, angeführt von der Musikkapelle Harant, bewegte sich vom Marktplatz zum Fried­hof. Bür­germeister Johann Habereder mit Marktgemeinderat, der amerikanische Resident Officer der Militärverwal­tung Passau Garlock, Vertreter der Behörden, alle örtlichen Vereine mit Fahnen sowie viele Heimatvertriebe­ne und Einheimische nahmen an der Feier teil.

Lehrer Alfred Kubatsch sprach einführende Worte. Pfarrer Irnfrieder nahm nach der Enthüllung des Ehren­mals die Weihe vor. Studienrat Dr. Norbert Kocholaty, ein heimatvertriebener Priester aus dem Sudetenland, hielt anschließend eine eindrucksvolle Rede.

Die Feier wurde musikalisch umrahmt durch die Musikkapelle Harant, dem Liederkranz Tittling un­ter Lei­tung von Hauptlehrer Josef Rosenhammer und dem Frauenchor der schlesischen Landsmann­schaft.

Weitere Reden hielten der evangelische Pfarrer Karl Mötsch, Bürgermeister Johann Habereder und Lehrer Walter Herles.

In den Folgejahren zogen zahlreiche Heimatvertriebene fort, um Arbeit in anderen Regionen der Bundesre­publik zu suchen. Für andere wurde Tittling immer mehr zur zweiten Heimat. Eine Reihe von Heiraten zwi­schen Heimatvertriebenen und Einheimischen drängte das landsmannschaftliche Denken gerade bei der jün­geren Generation immer mehr in den Hintergrund.

Ältere Heimatvertriebene sorgten sich weiterhin um den Blumenschmuck in der Gedenkstätte. Der gemeind­liche Bauhof übernahm die bauliche Betreuung, die Außenanlage wird heute vom Gartenbau­trupp der Gemeinde gepflegt.

Der Volkstrachtenverein „Dreiburgenland“ Tittling e. V. führte in den Jahren 2014/15 in vielen Arbeitsstun­den und mit viel Idealismus eine Generalsanierung der Gedenkstätte der Vertriebenen durch. Durch diesen Einsatz bleibt diese aus der Anfangszeit des Friedhofs stammende Grabkapelle in einem würdigen Zustand erhalten. Die Gedenkstätte der Vertriebenen könnte auch Mahnung sein, unser Herz für die um ihr Leben be­drohten Flüchtlinge und Vertriebenen der heutigen Tage zu öff­nen.

HZ 2015