Aus der herrschaftlichen Schlossbrauerei wurde die private Brauerei Fischl und Kerber


Die Schlossbrauerei Fürstenstein dürfte vor 1671 entstanden sein. Diesen Schluss lassen Akten im Staatsarchiv Landshut zu. Darin wurde dem Maximilian Emanuel Grafen von Perusa 1671, 1686 und 1721 die Bräugerechtigkeit auf der Hofmark Fürstenstein „konfirmiert“ (bestätigt).

In einer Aufschlagsinstruktion (Besteuerung des Malzes) vom 16. Juli 1723 wurde festgestellt, dass es in Altbayern nur 6 Brauhäusern erlaubt war, „das weiße Gerstenbier, oder wie man noch sagt auf die obere Gier auf die weiße Art“ zu brauen, nämlich in Seefeld, Niederschönenfeld, Fürstenstein, Titt­ling, Haselbach und Birnbach im Pfleggericht Pfarrkirchen, allen anderen ist es bei Strafe verbo­ten.

Auch das ist ein Hinweis, dass die Brauerei Fürstenstein schon länger bestanden hat.

Auf dem Stich von Michael Wening von Fürstenstein, Südansicht, veröffentlicht 1723, ist mit „F“ gekennzeichnet das gemauerte „Breyhauß“ (Bräuhaus) abgebildet (heute Dreiburgenstraße 30, Gasthof Kerber).

In einem Schreiben im Auftrag von Kurfürst Karl Albrecht von Bayern vom 4. Dezember 1736 an die Regierung von Landshut wird ein Braunes Bräuhaus in Fürstenstein genannt. Dem kurfürstli­chen Schreiber ist dabei ein Fehler unterlaufen, da Fürstenstein ein Brauhaus für weißes Gerstenbier hatte.

Eine Gräfin Maximiliana von Perusa (geb. 1780), Erbin zu Fürstenstein, heiratete 1803 Heinrich von Oyen (geb. 1771), großherzoglich hessischer General­leutnant, der dadurch in Besitz von Schloss und Hofmark Fürstenstein kam. Auch das Brauhaus gehörte dazu.

Am 3. September 1815 erschien im Königl. Bayerischen Intelligenzblatt für den Unterdonaukreis eine Anzeige, wonach die Baron von Oyensche Gutsherrschaft das weiße Gerstenbier-Bräuhaus in Fürstenstein auf einige Jahre verpachten wollte. „Dieses Bräuhaus ist sowohl an Gebäuden sehr gut konserviert als auch mit den nöthigen Bräugeräthschaften gut versehen.“

Im August 1831 schrieb die Freiherr von Oyensche Gutsverwaltung in Fürstenstein die Brauerei zur Verpachtung auf 9 Jahre aus. „Die Bräuerei besteht in der weißen Gerstenbier-Conzession, womit das Brandweinbrennerei-Recht verbunden ist.“ Zur Verpachtung ausgeschrieben wurden auch land­wirtschaftliche Flächen, die für den Betrieb der Brauerei von Nutzen waren.

Zu diesem Zeitpunkt hatte die Fürstensteiner Brauerei eindeutig nur die Konzession zum Brauen des weißen Gerstenbiers.

Kurze Zeit später änderte Graf Heinrich von Oyen seine Planungen. Er verfolgte nun den Verkauf des Schlosses Fürstenstein und der Brauerei an Private und der Dominikalien an das Königreich Bay­ern.

Das junge Königreich Bayern übernahm schrittweise das Steuerrecht und die Gerichtsbarkeit der früheren Guts- und Hofmarksherrschaften. Dem Landadel gingen dadurch wichtige Einnahmen ver­loren, aus der Not heraus war der Verkauf von Gebäuden und Grundstücken die logische Folge.

Um den Wert des Brauhauses in Fürstenstein für einen sich abzeichnenden Verkauf aufzuwerten, bemühte sich Graf von Oyen um eine Konzession zum Brauen des braunen Biers für sein Brauhaus. Die Nachfrage nach dem weißen Gerstenbier auf die obere Gier war rückläufig. Die Gäste verlang­ten jetzt mehr nach dem braunen Bier, das etwas mehr kostete, aber gehaltvoller war. Allerdings musste der Brauer dann in Lagerkeller und besondere Fässer investieren.

Der Brauherr der Tittlinger Schlossbrauerei Anton Wieninger hatte sich bereits 1828 die Braunbier-Konzession erkämpft. Tittling hatte seit über drei Jahrhunderten ebenfalls die Weißbier-Konzession.

Im Zusammenhang mit dem geplanten Verkauf gibt es eine Reihe von Schriftstücken, die die Situa­tion der Schlossbrauerei Fürstenstein in dieser Zeit widerspiegeln.

Am 26. März 1834 erteilte Graf Oyen zu Fürstenstein von Darmstadt aus dem Fürstensteiner Ge­richtshalter Lehr Vollmacht und beauftragte ihn, die braune Bierkonzession für das Brauhaus Fürs­tenstein „auszuwirken“. Nach Lage der Dinge dürfte damit „erwirken, erlangen des Braurechts“ ge­meint sein.

Am 5. Mai 1834 bestätigte das Königl. Bayer. Rentamt in Passau, dass die Gewerbesteuer nebst Kreisumlage für die weiße Gerstenbier-Gerechtsame in dem herrschaftlichen Brauhaus zu Fürsten­stein bis dato richtig abgeführt worden war und es keine Zahlungsrückstände gab.

Mit gleichem Datum gibt eine Aufstellung über den Malzverbrauch für das weiße Gerstenbier von 1807 bis 1832/33 Aufschluss über die stark rückläufige Brautätigkeit im Fürstensteiner Brauhaus.

1807 – keine Brautätigkeit; 1807/08 – 121 Scheffel; 1808/09 – 132 Scheffel; 1809/10 – 158 Schef­fel; 1810/11 – 57 Scheffel; 1811/12 – 44 Scheffel; 1812/13 bis 1814/15 – keine Brautätigkeit; 1815/16 – 34 Scheffel; 1816/17 – 11 Scheffel; 1817/18 – 3 Scheffel; 1818/19 – 21 Scheffel; 1819/20 – 10 Scheffel; 1820/21 – 7 Scheffel; 1821/22 – 1 Scheffel; 1822/23 bis 1826/27 – keine Brautätigkeit; 1827/28 – 8 Scheffel; 1828/29 – 2 Scheffel; 1829/30 bis 1832/33 keine Brautätigkeit;

Eine Aufstellung vom 10. Mai 1834 enthält die Gastwirte, die ihr Bier als zur Grundherr­schaft ge­hörende Hintersassen aus dem Bräuhaus Fürstenstein zu beziehen hatten. Es waren dies: Joseph Oberleitner, Wirt, Bäcker und Metzger in Fürstenstein, Michael Lindlbauer, Wirt, Metzger und Bä­cker von Obereging, Michael Ranzinger, Wirt von Jederschwing, Michael Wagner, Wirt von Wei­ding, Jakob Zitzelsberger, Wirt von Oberpolling, Joseph Bruckinger, Wirt und Bäcker von Kapf­ham, Johann Unfried, Wirt, Bäcker und Metzger von Arbing, Johann Baumann, Wirt von Lindau und Joseph Praml, Wirt, Bäcker und Metzger von Gatzerreut.

Ein Schreiben vom 17. Mai 1834 befasste sich kritisch mit den Wirten von Obereging und Untere­ging. Ersterer bezöge sein Bier aus Vilshofen, der andere aus Hengersberg. Die Wege würden vier Stunden in Anspruch nehmen, während es nach Fürstenstein nur eine Stunde sei, „wo auch braunes Bier zu erhalten zum Besten und Nutzen des Publikums und wegen weiter Entfernung von Braue­reien sehr zu wünschen wäre“.

Offenbar wurde schon braunes Bier gebraut, obwohl die amtliche Konzession dazu erst vier Monate später erteilt worden ist.

Am 18. September 1834 erteilte die Königliche Regierung des Unterdonau-Kreises in Passau, Kam­mer des Innern der Gutsherrschaft Fürstenstein die Konzession zum Brauen des braunen Biers.

In einem Inventarverzeichnis vom 17. November 1834 sind 83 Braueinrichtungen und Requisiten im Brauhaus und deren Wertaufschlag in verschiedenen Bereichen aufgeschlüsselt.

Es sind dies: in den zwei „Bräu-Wohnzimmern“, im Bräuhause, im Branntweinhäusl, in der Schirr (Geschirr), auf der Malz­tenne, im Gärkeller, in der Dürre, im Bräuhelfer-Stübl, auf dem Kasten und der Hopfenkammer, im Bierkeller und in der Holzschupfe.

In einer kurzen Notiz im Kourier an der Donau vom Ende Mitte Dezember 1835 wurde gemeldet, dass der Bierbrauer Kroiß von Fürstenstein in Passau genächtigt hat. Er war der letzte Pächter des herrschaftlichen Fürstensteiner Brauhauses.

Im Jahr 1839 verkaufte Graf Heinrich von Oyen seinen Besitz in Fürstenstein. Schloss und Brau­haus sowie die dazugehörigen Grundstücke erwarb der spätere Posthalter und Brauer Franz Mayer aus Tittling.

Aus dem herrschaftlichen Brauhaus wurde nun eines im bürgerlichen Besitz.

Franz Mayer, der zu dieser Zeit auch Pächter der Schlossbrauerei Englburg war, verkaufte 1843 Schloss und Brauhaus an den Branntweinbrenner Josef Maier und Josef Graßl, beide aus Straubing.

Beim Verkauf behielt sich Franz Mayer den etwa 1 ha großen Hopfengartenacker auf Fl.Nr. 177 vor. Im Jahr 1844 verkaufte er diesen an den Wirt Joseph Oberleitner (heute Bischof-Heinrich-Straße 11, ehem. Gasthaus zum Alten Wirt/Hobelsberger). Offensichtlich hatten Maier und Graßl eine andere Bezugsquelle für den benötigten Hopfen und kein Interesse an dieser Anbaufläche in Fürstenstein.

Josef Maier und Josef Graßl wurden in den nächsten Jahren als Übernachtungsgäste in Passau im Kourier an der Donau genannt. Sie wurden dabei als Bräuer von Fürstenstein bezeichnet. 1845 wird ein Dobler, Bräumeis­ter von Fürstenstein als Übernachtungsgast in Passau notiert. Er dürfte in Diensten von Maier und Graßl gestanden sein.

Im Jahr 1848 kaufte Johann Fischl das Brauhaus mit radizierter Bierbraugerechtigkeit von Maier und Graßl. Dazu gehörten auch der gegenüber liegende Stadel, die Fass- und Holzschupfe und Stal­lungen.

Bei seiner Heirat mit Katharina Dankesreiter im Jahr 1841 in Fürstenstein wurde der wie seine Frau aus Peigerting stammende Fischl als angehender Bräuer beschrieben. Bei der Geburt des ersten Kin­des Anfang 1849 und der weiteren Kinder lautete die Berufsbezeichnung Fischls Bräuer von Fürs­tenstein.

Johann Fischl war viele Jahre „Bräu“ von Fürstenstein. Im Jahr 1865 lud er zur Eröffnung des neu erbauten Sommerkellers ein. „Die Gäste erwartet gutbesetzte Harmoniemusik und sonstige Belusti­gungen. Für gutes Bier ist bestens gesorgt.“

Er genoss offensichtlich hohes Ansehen, denn im Jahr 1870 wurde er neben anderen als neuer Ge­schworener für die IV. Schwurgerichtssitzung für Niederbayern benannt.

Im Jahr 1880 starb Johann Fischls Ehefrau Katharina. Nach dem Tod des Vaters 1891 erbte seine jüngste Tochter Kreszenz den Bräubesitz.

Am 24. November 1892 heiratete diese in Fürstenstein den Steinbruchwerkführer Joseph Kerber aus Büchlberg. Nach 44 Jahren wurde aus der Brauerei Fischl die Brauerei Kerber.

Auf einer 1907 versandten Ansichtskarte ist das Brauhaus Kerber abgebildet.

In dieser Zeit wurde das Bier aus der Fürstensteiner Brauerei Josef Kerber auch in der Kantine der Steinhauerschule Büchlberg ausgeschenkt.

Aus dem Jahr 1901 gibt es eine aufschlussreiche Beschreibung des Besitzes: Wohnhaus, Gasthaus und Brauhaus, Gärkeller mit neu erbautem Bierkühlgebäude und Malzdürrhaus, Maschinenhaus, Überbau des Sudhausgebäudes, Bierkellergebäude, Braumeisterwohnung und Stallungen.

Aufgeführt wird auch der 1865 erbaute Sommerkeller mit Gast- und Wohnräumen, Wagenremise mit Lagerkeller, Fasshalle mit Biereiskeller und Aufzugsgebäude und Wohnung, Sommerhaus, Ke­gelbahn und Pissoir (Peigertinger Straße 2, später Gasthaus zum Keller, Dorfner, Forrai).
Die in Fürstenstein gebräuchliche Bezeichnung "Keller" für diesen Ortsbereich dürfte auf diesen "Sommerkeller" zurückgehen.

Nach dem Tod ihres Mannes Josef Kerber führte die Witwe Kreszenz ab 1925 den Betrieb alleine weiter.

Es bleibt ungeklärt, wann genau der Braubetrieb Kerber endete. Jedenfalls muss dies weit zurück­liegen, da es dazu keine genaue Erinnerung vor Ort gibt. Ob die Einstellung des Braubetriebs mit dem Tod von Josef Kerber im Jahr 1925 zusammenhängt oder der wirtschaftlich schwierigen Zeit während des 1. Weltkriegs 1914-18 oder der Nachkriegszeit, bleibt ungeklärt.

Ende 1947 ging der Gasthof Kerber auf die Gastwirts- und Landwirtseheleute Wilhelm und Anna Wagner über. Der Gasthofname „Kerber“ wurde als Erinnerung an den früheren Brauerei- und Gast­hofbesitzer Josef Kerber und dessen Frau Kreszenz beibehalten.

Herbert Zauhar, 2015