Aus ihr wurde zuletzt die Brauerei des Posthalters Mayer


Im Jahr 1510 ließ Herzog Wolfgang alle Häuser in seinem Herrschaftsbereich erfassen. Im Markt Tittling gab es damals 20 Häuser. Eines davon war „dem Sigmund Prew sein Gut“. „Prew“ ist die alte Bezeichnung für „Bräu“ und bedeutet „Bierbrauer“. Das beweist, dass zu dieser Zeit bereits eine Braustätte bestanden hat, die zum herrschaftlichen Schlossbesitz gehörte.

Durch einen Rechtsstreit aus dem Jahr 1593 erfahren wir vom Fortbestand der Schlossbrauerei. Die Bierwirte im Markt Tittling klagten gegen die verwitwete Frau von Nußdorf wegen des strittigen Ausschanks von ausländischen Braunbier. Die Wirte wollten „ausländisches“ Braunbier aus dem Bistum Passau ausschenken, obwohl es ein gräfliches Brauhaus am Ort gab.

Im Herbst 1643 wurde der Catharina Schätzlin (von Schätzl, verwitwete von Nußdorf) das Biersie­den auf die Obergier bewilligt. Es handelte sich dabei um die erneute Bestätigung des Braurechts für das örtliche Brauhaus. Laut Bewilligung ist von alters her ein Braurecht in Tittling eingetragen.
1671 heiratete Johann Georg Ziegler auf den Besitz ein. Das Gericht Vilshofen strengte gegen ihn einen von 1673 bis 1681 dauernden Rechtsstreit „wegen strittiger Bräugerechtigkeit beim Gut Titt­ling“ an. Ziegler wies darauf hin, dass das Braurecht bereits 1618 dem Hans Christoph von Nußdorf bestätigt worden war.

In einer Aufschlagsinstruktion (Besteuerung des Malzes) vom 16. Juli 1723 wurde bestätigt, dass es in Altbayern nur 6 Brauhäusern erlaubt ist, „das weiße Gerstenbier, oder wie man noch sagt auf die obere Gier auf die weiße Art“ zu brauen, nämlich in Seefeld, Niederschönenfeld, Fürstenstein, Titt­ling, Haselbach und Birnbach, Pfleggericht Pfarrkirchen, allen anderen ist es bei Strafe verbo­ten.

Im Jahr 1717 fertigte Michael Wening Skizzen für einen Kupferstich an, der 1723 veröffentlicht worden ist. In der dazugehörigen Beschreibung wird auch das Bräuhaus erwähnt: zu den gegebenen Freiheiten zählt „ein Präuhauß, die obere Gier zum durchgehenden Verschleiß“.

Das weiße Gerstenbier auf die obere Gier (obere oder Spundgärung) war eine Bierart leichter Gat­tung und konnte ganzjährig gebraut werden. Es war wegen seines günstigen Preises das Getränk der ärmeren Klasse. Es war beliebt bei der Erntearbeit und wegen seiner durststillenden und kühlenden Wirkung ein ärztlich empfohlenes Getränk für Kranke. Da das weiße Gerstenbier auf die obere Gier bald nach dem Brauen konsumiert werden konnte, ersparte man sich hier kostspielige Sommerkeller und Sommerbierfässer.

Von 1765 bis 1767 klagte Max Graf von Tauffkirchen zu Englburg vor Gericht gegen die vier Wirte im Markt Tittling wegen verweigerter Bierabnahme aus dem herrschaftlichen weißen Gerstenbier-Bräuhaus.

Es handelte sich um die Wirte Georg Steinsailler (späteres Gasthaus Baldini, Berggasse 8), Anton Mayr (späteres Gasthaus Passauer Hof, Marktplatz 9), Lorenz Dorfmeister (späterer Gasthof Habe­reder, Marktplatz 14) und Andreas Strauß (Hofwirt, heute Mode Heppel, Marktplatz 15).

Im Jahr 1803 wütete ein Großbrand in Tittling, dem auch der gräfliche Schlossbesitz zum Opfer fiel. Dies und die schrittweise Entmachtung des Adels, der mit dem Verlust von Einnahmemöglich­keiten einherging, brachte auch die Grafen von Tauffkirchen in wirtschaftliche Schwierigkeiten.

Die Güter Englburg und Tittling wurden der Verwaltung durch das Königl. Landgericht Passau un­terstellt. Dieses veranlasste 1826 eine öffentliche Versteigerung des Landguts Tittling, zu dem neben Wiesen und Feldern auch das Schlösschen mit „einem zu weißen Gerstenbier berechtigten Bräu­hause“ gehörte.

In dieser Zeit war der Bäcker und Bierbrauer Seraphin Silchinger Pächter der Tittlinger Brauerei.

Der aus Trautmannsdorf/Saldenburg stammende Anton Wieninger ersteigerte am 08.05.1826 den Schlossbesitz und bemühte sich sofort, zur Brauberechtigung für weißes Gerstenbier zusätzlich eine offizielle Genehmigung zum Brauen von braunem Bier zu erhalten. Letzteres wurde schon 20 Jahre ungenehmigt gebraut, der Malzaufschlag jedoch ordnungsgemäß abgeführt. Der Absatz des weißen Gerstenbiers lief nicht mehr so gut wie früher.

Wieninger ließ sich durch anfängliche Ablehnungen nicht entmutigen und erhielt schließlich doch am 31.07.1828 von der königlichen Staatsregierung die Konzession zum Brauen von braunem Bier. In den Akten sind die Wirte genannt, die seit zwei Jahrzehnten Braunbier aus der Tittlinger Brauerei bezogen hatten. Es waren dies die vier Tittlinger Wirte (Baldini, Berggasse 8; Richter, Marktplatz 9; Obermayer, Hof­wirtshaus, Marktplatz 15; Späth, Marktplatz 14) sowie die Wirte in Gatzerreut, Preming, Witzmannsberg, Weiding, Enzersdorf, Hof, Loderhof, Gaißa und Englburg.
Der Bierbrauer Anton Wieninger konnte sich nicht lange über diese positive Entwicklung seiner Titt­linger Pläne erfreuen. Kurz nach Mittag des 12. März 1832 beendete ein „Schlag als Folge einer Branntweinberauschung“ sein 33-jähriges Leben, drei Tage später wurde er am Tittlinger Friedhof an der Färbergasse beerdigt. Ihm wurde wohl der eigene, aus Brauabfällen gewonnene Branntwein zum Verhängnis.

Auf Wunsch seiner Gläubiger wurde Wieningers erbrechtsbares Bräuanwesen, zu dem das Schloss­gebäude, ein Neugebäude, das Bräuhaus mit den dazu gehörigen braunen und weißen Gerstenbier-Gerechtsamen und den noch vorhandenen Mobiliarschaften und Bräuhausutensilien sowie das Schlossumfeld, zu dem ein kleiner Grundbesitz gehörte, am 14. Januar 1835, 10 Uhr versteigert. Die Genehmigung aus dem Jahr 1828 für das braune Bier wurde in der amtlichen Bekanntmachung extra erwähnt.

Im Jahr 1836 erwarb die Witwe des Bäckers und Bräuers Seraphin Silchinger Anna Maria Silchin­ger den Besitz mit dem Brauhaus und übergab ihn am 1. Dezember 1836 an ihren Sohn, den ange­henden Bierbrauer Johann Silchinger. Da sich der Graf von Tauffkirchen ein Rück­kaufrecht bis September 1843 einräumen ließ, dieses aber nicht einlöste, wurde Johann Silchinger juristisch erst am 1. Oktober 1843 unbeschränkter Alleineigentümer mit allen Rechten und Verbind­lichkeiten.

Im Jahr 1848 erwarb der in Blindham geborene Bierbrauer Franz Mayer Teile des damaligen Schlossgutes um 11.000 Gul­den. Franz Mayer war vorher Pächter des Schlossbrauhauses Englburg und besaß von 1839 bis Mit­te 1843 den Schlossgutbesitz Fürstenstein einschließlich des dortigen Brauhauses. Letzteres war zu dieser Zeit zum Brauen von weißem Gerstenbier auf die obere Gier und braunem Bier berechtigt.

Am früheren Standort des Tittlinger Schlosses errichtete Franz Mayer einen Gasthof, der später im­mer wieder vergrößert wurde. Der Braubetrieb wurde in das Grafenschlössl verlegt. An der Stelle des früheren Bräuhauses errichtete er Stallungen.

Aus den Akten lässt sich die weitere Ent­wicklung des Schlossbräus Tittling nachverfolgen.

1852: Errichtung eines ca. 30 m langen Sommer­kellers mit Fassremise unter einem Dach mit einem angebautem Vorgebäude in der Herrenstraße 12. Diese Baumaßnahme war wegen der Umstellung auf das Brauen von braunem Bier notwendig geworden.

Dieser Bierkeller existiert noch heute. Ab 1920 wurde ein Teil davon von der Metzgerei Haushofer genutzt.

Weitere Baumaßnahmen waren: Errichtung eines Sommerkellers südlich des Grafenschlössls (1861),

neuer Lager- Fass- und Bier-Aufzug mit Fahrstuhl für 20 Ztr. Tragkraft, (1894, Fa. Haiböck, Passau),

Bau eines Lagerkellers, Eiskellers und Sommerhauses sowie einer Kegelbahn (1896), Bau eines Kesselhauses für die Brauerei (1904).

Im April des Jahres 1910 wurde „Bayern in seinen Grundfesten erschüttert“. Der Landtag hatte eine Erhöhung der Biersteuer beschlossen. Dadurch sollte der Preis für eine Maß Bier von 20 Pfennig auf 22 Pfennig angehoben werden. Das bedeutete Aufruhr in der Bevölkerung und ins­besondere in allen Gasthöfen Bayerns, auch in Tittling wurde protestiert und „gestreikt“.

So erfuhren die Tittlinger, als sie am 4. April 1910 nach dem Hauptgottesdienst ihr gewohntes „Sonntagsfrühstück“, „eine Halbe mit Zopf“ in ihrem Stammwirtshaus verzehren wollten, dass die Bierpreiserhöhung kein Aprilscherz war, sondern bitterer Ernst. Viele „Halbe“ mussten die Bedie­nungen wieder zum Schank zurückbringen und dafür Schnäpse oder „Springerl“ (Limonaden) brin­gen, trotz der Abneigung der Gäste gegen das „g'farbte Wasser“.

Diesen Absatzrückgang spürten nicht nur die Wirte, sondern traf auch die beiden örtlichen Brauerei­en Mayer und Hausinger.

In dieser Zeit musste die Familie Mayer schwere Schicksalsschläge hinnehmen, die auch Auswir­kungen auf den Fortbestand der Schlossbrauerei hatten.

1908 verstarb nach kurzem schweren Leiden der 31-jährige Sohn Anton.

Am 15. April 1910 berichtete die Donauzeitung vom Tod des Posthalters-, Brauerei- und Realitäten­besitzerssohns Josef Mayer, der nach langem, schwererem Leiden im Alter von 28 Jahren verstarb.

Das Leid und die Sorgen wurden noch größer, als am 10. August 1911 der Posthalter und Brauerei­besitzer Anton Mayer im Alter von 67 Jahren an den Folgen eines Unfalls verstarb.
Gerade in dieser Zeit dürfte der Umsatz der Schlossbrauerei Tittling noch einmal kräftig angestie­gen sein. Es war die Zeit des 1910 begonnenen Bahnbaus Kalteneck – Tittling – Fürstenstein – Eging. 1911 erreichten die Arbeiten den Raum Tittling/Fürstenstein. In unserem Bereich waren etwa 700 Männer beschäftigt, durstig von der schweren körperlichen Arbeit.

Für diese Zeit liegen Daten über die Brauerei Mayer und den Weißbräu des Markus Hausinger vor.

Demnach lag das Mayer'sche Braukontingent 1912/1913 bei 534,45 dz (zum Vergleich Weißbierbrauerei Hausinger: 13 dz). Die Schüttung des Sudwerks betrug 6 dz (Weißbierbrauerei Hausinger: 1,5 dz). Die gesamten Gefäße im Gärkeller hatten ein Fassungsvermögen von 80 hl (Weißbierbrauerei Hausinger: 14 hl). Das Fassungsvermö­gen des Lagerkellers betrug ca. 200 hl. Als früher von Mayer belieferte Gasthäuser/Wirte wurden aufgeführt: Trasfelden, Enzersdorf, Hof, Rothau, Schneidermühle, Lindl­bauer (Passauer Hof), Käserbruch (Masering) und Schrottenbaummühle.

Mit dem Ausbruch des 1. Weltkriegs kamen neue Probleme auf die Witwe Maria Maier und ihre Kinder zu, insbesondere bezüglich der Weiterführung des Braubetriebs. Zwei Söhne waren verstor­ben, einer war zwischenzeitlich Architekt geworden und der jüngste Sohn Franz Xaver zwar zum Brauer ausgebildet, beim Tod des Vaters aber erst 21 Jahre alt.

Die Gesamtsituation im Krieg verschlechterte sich zusehends. Bis 1916 waren bereits 380 Väter und Söhne aus der Pfarrei Tittling eingezogen.

Die allgemeine Versorgungslage verschlimmerte sich schon ab Anfang des Krieges dramatisch. Ge­treide wurde knapp, Gerste wurde in der Not für das Brotbacken benötigt. Auch bei der Kohle gab es Versorgungsengpässe.

Damit war das Ende des Braubetriebs besiegelt. Das genaue Datum ist nicht bekannt. Es ist aber zwischen 1912/13 und Mitte 1916 eingrenzbar. Nach einer Meldung des Grafenauer Anzeig­ers vom August 1937 schloss die Brauerei Mayer schon vor dem Krieg 1914-18.

Der amtliche Eintrag über das Ende der Brauerei erfolgte im Jahr 1920.

Die Braurechte der Schlossbrauerei Tittling gingen 1918 an die Brauerei Stockbauer in Haselbach, Gemeinde Tiefenbach, die 2001 von der Löwenbrauerei Passau übernommen worden ist.

Herbert Zauhar, 09.2015