Das Bahnhofsgelände um 1930 im Maßstab 1:160
Eine bleibende Erinnerung an das frühere Geschehen im Bahnhofsbereich Tittling hat Max Mader aus der Färbergasse im Jahr 2007 geschaffen. Nach einer längeren Planungsphase baute er in mehrmonatiger mühevoller und detailgetreuer Kleinarbeit das Bahnhofsgelände Tittling als Modell im Maßstab 1:160.
Dargestellt ist die Zeit um 1930, als Tittling ein richtiges Bahnhofsgebäude erhalten hat.
Bei der Eröffnung der Bahnstrecke im Jahr 1913 war lediglich eine Güterhalle errichtet worden. Der Fahrkartenverkauf und der Warteraum für die Fahrgäste waren anfänglich in der benachbarten Bahnhofsrestauration untergebracht. Nach der Errichtung des Bahnhofsgebäudes fand der Schalterbetrieb hier statt. Im ersten Stock befand sich die Dienstwohnung des Bahnhofsvorstehers.
Auf der anderen Straßenseite hatte man ein eigenes WC-Häuschen aus Holz errichtet. Das Lagergebäude der Firma Sedlmayr war schon in den Anfangsjahren der Bahn erbaut worden.
Das 2,25 Meter lange Modell umfasst den Bereich vom früheren Bahnübergang und dem kleinen privaten Lagerhaus bei der Passauer Straße bis zum ehemaligen Raiffeisenlagerhaus. Geschickt ist der Übergang zur Rückwand mit einer malerischen Darstellung des Ortskerns gelöst. Auf den maßstabsgetreuen Gleisanlagen stehen verschiedene Personen- und Güterwagen und dazugehörige Lokomotiven.
Das Bahnhofsgelände am Südhang des Ortskerns wurde beim Bau auf einer Länge von rund 360 Metern mit großem Aufwand vollkommen eben angelegt. Die Waggons mussten auch ungebremst an jeder Stelle des Bahnhofsgeländes stehen bleiben.
Erinnert wird an den Personenverkehr, die Verladung von Tieren und verschiedenen Gütern der damaligen Zeit, den mehrgleisigen Zugverkehr und die Fuhrwerke, die die Güter brachten oder abtransportierten. Südlich der Gleisanlagen konnten auf einer Ladestraße fertige Steinbrucherzeugnisse direkt verladen werden.
Nördlich der Bahnhofstraße war ein Lagerplatz für Baumstämme und gleich neben den Bahngleisen gab es in Haufen gestapelte Granitsteine aus örtlichen Steinbrüchen. Ein stationärer Lastenkran erleichterte die Verladung. Diese Granitsteine wurden in einer Schleiferhütte neben den Bahngleisen nachbearbeitet.
Hier war der Lärm oft so groß, dass niemand die kläglichen Hilfeschreie des kleinen Buben Max Mader hörte. Er war einmal auf dem Birnbaum beim benachbarten Grubmüller ausgerutscht und hing unglücklich und ohne Chance der Selbstbefreiung in einer Astgabel. Erst ein mit Rangierarbeiten beschäftigter Lokführer entdeckte und rettete den hilflosen Knaben aus seiner misslichen Lage.
Erinnert wurde auch an frühere Bewohner und Handwerker in der vom Lagerhaus des „Vereins“ zum Marktplatz führenden Färbergasse. Diese Gasse hieß eine Zeit lang Heilig-Geist-Gasse. Dieser Name wird, so eine der Versionen, auf einen früheren Schmied in dieser Gasse zurückgeführt. Dieser war einmal beim Fensterln bei einer Ortsschönen, die aber durch das Geschepper am Fenster offensichtlich schwer erschreckt worden ist. Mit dem Ausruf „Fürchte dich nicht, ich bin doch nur der Heilige Geist“ soll der Schmied versucht haben, die Lage zu beruhigen.
Es ist bereits das dritte heimatgeschichtlich bedeutsame Modell, das Max Mader seiner Heimatgemeinde übereignet hat. In der örtlichen Volksschule steht eine Nachbildung des Marktplatzbereichs um 1893. Und im Foyer des Rathauses befindet sich eine modellhafte Umsetzung des Ortskerns nach der Vorlage des bekannten Kupferstichs von Michael Wening um 1723. Hier im Grafenschlössl ist auch das Bahnhofsmodell während der Amtsstunden zu besichtigen.
Das Bahnhofsgelände Tittling in der Zeit nach dem Bahnhofsbau 1930
Beschreibung des Modells
Das Lagerhaus des Darlehenskassenvereins Tittling
Das Gebäude wurde vor der Fertigstellung der Bahnstrecke erbaut. Eine Reihe von Auflagen waren zu beachten:
„Die Stellung des Gebäudes ist abzuändern und dem künftigen Industriegleis anzupassen. Dem Bahneigentum darf weder Tag- noch Abwasser zugeleitet werden. Die Fenster auf der Bahnseite und den beiden Giebelseiten dürfen nicht zum Öffnen eingerichtet werden. Die Tore auf der Bahnseite sind – wenn nicht ein- oder ausgeladen wird – geschlossen zu halten.“
Das Gebäude wurde zwischenzeitlich durch Neubauten ersetzt. Aus dem früheren Darlehenskassenverein entwickelte sich die heutige Raiffeisenbank.
Die Kerber-Schleiferhütte mit Steinhaufen und Kränen
Vorbearbeitete Granitsteine vom Kerber-Steinbruch am Höhenberg für Bodenplatten, Treppenstufen und Grabsteine wurden mit Fuhrwerken angeliefert und in der Schleiferhütte „veredelt“. Dies reichte vom Feinschliff bis zur Politur des Steins.
Die „Kerber Steinschleife“ hatte einen elektrischen Stromanschluss.
Die zwei Dreifußkräne dienten zum Be- und Entladen der angelieferten Steine.
Pflastersteine und Randsteine verschiedener Formate, die überwiegend für den Straßenabau bestimmt waren, wurden hier pyramidenförmig zwischengelagert.
Vor dem Bahnbau mussten die Granitsteine mit Fuhrwerken auf schlechten Straßen mühevoll nach Kalteneck oder Vilshofen zu den dortigen Gleisanbindungen bzw. zur Donau gebracht werden.
Die Situation für die Steinindustrie war auch damals sehr schwierig. Die aufkommende Konkurrenz des Teers im Straßenbau und die mangelnde allgemeine Nachfrage waren eine ernste Bedrohung.
Das sog. „Grubmüllerhaus“
Dieses damals ortstypische Haus stand nördlich der Schleiferhütte an der Färbergasse, die früher auch „Heilig-Geist-Gasse“ genannt wurde. Das Haus wurde später abgerissen und durch das jetzige Wohnhaus der Familie Schlattl ersetzt.
Die Lagerplätze für Holz
Entlang der heutigen Bahnhofstraße gab es zwei Lagerplätze für Holz. Hier lagerten Schleifholz für die Papierfabrik in Kelheim sowie Holzstämme für Bau- und Gerüstholz aus dem Staatsforst Saldenburg und größeren Privatwaldungen bis zum Weitertransport mit der Bahn.
Die Anfuhr erfolgte über die Passauer Straße mit Pferde- und Ochsenfuhrwerken.
Der Sedlmayr-Lagerschuppen
Um die im Modell dargestellte Zeit übernahmen die Brüder Anton und Ludwig Settele das Sedlmayr-Geschäft am Marktplatz und damit verbunden diesen Lagerschuppen. Dieser hat bis heute im Wesentlichen sein Aussehen beibehalten. Hier wurden die mit der Eisenbahn angelieferten Waren (Kohle, Eisenwaren, Maschinen, landwirtschaftliche Geräte, Werkzeuge, Schwarzpulver für Steinbrüche u. a.) gelagert und teilweise auch vor Ort verkauft. Heute steht hier das Vereinsheim der Dreiburgenschützen Tittling.
Das WC-Häuschen
Vor dem Bau des Bahnhofs benutzten die Reisegäste die Toiletten in der Bahnhofsrestauration. Nach der Fertigstellung des Stationsgebäudes und dem Umzug der Bahn dorthin war die Errichtung dieses öffentlichen WCs notwendig geworden.
Bahnhofsrestauration mit Nebengebäude
In Vorausschau auf den kommenden Bahnbetrieb war bereits eine
Bahnhofsrestauration errichtet worden. Da die Bahnstation Tittling anfangs zwar eine Güterhalle, aber kein Bahnhofsgebäude hatte, gab es vertragliche Regelungen zwischen Reichsbahn und der Gastwirtschaft. Der zeitweise besetzte Bahnschalter war in der „Rant'n“, wie das Gasthaus im Dialekt genannt wurde, untergebracht.
Hier wurden die Fahrkarten verkauft und die Formalitäten für den Güterversand erledigt. Das Gastzimmer konnte ohne Verzehrzwang als Warteraum benutzt werden.
Der damaligen Pächterin Anna Wagner waren aber durstige und hungrige Zugfahrer sicher lieber, denen auch die Toilettenbenutzung im Gasthaus gestattet war.
Nebengebäude
Das Äußere des Gebäudes hat sich wie das des Nebengebäudes kaum verändert. Hier waren die Wagenremise und der Eiskeller untergebracht. Für die Kühlung der Lebensmittel und Getränke war damals Natureis notwendig, das im Winter „vor Ort“ an Holzgerüsten - bei eisigen Temperaturen mit Wasser überspritzt - erzeugt wurde. In ohnehin kühlen Kellerräumen blieben die Eisblöcke lange Zeit erhalten.
Das Bahnhofsgebäude mit Güterhalle
Rechtzeitig zu Beginn des regulären Zugverkehrs im Jahr 1913 war bereits die
Güterhalle fertig. Hier konnte das abgehende Stückgut – auch Kleinvieh – aufgegeben werden, ankommende Güter wurden hier bis zur Abholung gelagert. Dazu erhielt man von der Bahn vorab eine Benachrichtigung. Bei vom Absender angekündigtem Expressgut fragte der ungeduldige Empfänger wohl selber nach.
Neben der Güterhalle konnten Kühe an einer Eisenstange festgebunden werden.
Auf das eigentliche Bahnhofsgebäude mussten die Tittlinger lange warten. Erst Ende Juli 1930 wurde mit dem Bau begonnen. Die Fertigstellung des langersehnten Stationsgebäudes erfolgte bereits Ende November 1930. Nun war endlich ein richtiger Bahnschalter, Warteraum, Büro für den Stationsvorsteher und eine Dienstwohnung für diesen vorhanden.
Das private Kleinlagerhaus bei der Bahnschranke
Der damalige Besitzer Matthias Breinbauer warb für seine demnächst mit dem Zug ankommende Ware in der Zeitung „Tittlinger Waldbote“:
„Kalkstickstoff, schwefelsaures Ammoniak und Kalksalpeter. Wer Bedarf hat, solle sich melden.“
Neben Düngemitteln wurden auch Bauwaren verkauft.
Der beschrankte Bahnübergang bei der Passauer Straße
Bei Rangierarbeiten mit längeren Zügen mussten die Schranken geschlossen werden.
Die Bedienung erfolgte mit einer Kurbel vom Bahnhof aus.
Der Personenzugverkehr am Bahnhof Tittling
Der im Modell einfahrende Zug mit Dampflok kommt aus Kalteneck.
Anfangs verkehrten nur Züge mit Dampfloks, später ein Triebwagen, dann von Dieselloks gezogene Züge und zuletzt die roten Schienenbusse.
Die Waggons hatten nur 3. Klasse.
Kalteneck war Umsteigebahnhof. Das hatte Auswirkungen auf die Fahrzeiten.
Fahrschüler nach Passau mussten deshalb sehr früh aufstehen und kamen spät heim.
Damals hatte die Bahn viele Fahrgäste, darunter auch „Fremde“, um die schon damals stark geworben wurde.
Die sog. Raustiege
Die kürzeste Fußwegverbindung Bahnhof - Marktplatz führte über einen Privatweg und die „Raustiege“ beim damaligen Wohn- und Geschäftshaus des Elektromeisters Rau.
Dieser Weg gab über Jahrzehnte hinweg wegen seines Zustands ganzjährig Anlass zu Beschwerden und Kritik. Zwischenzeitlich wurde der Weg von der Gemeinde übernommen und grundlegend saniert.
Die Ortsansicht von Tittling in der Zeit nach dem Bahnhofsbau
Das Bahnhofsmodell wird abgerundet durch eine Ansicht des Ortskerns von Tittling aus Richtung Süden. Die Ortskundigen werden schnell die Veränderungen in den letzten Jahrzehnten feststellen.
Wer sich mehr für die Geschichte unser Heimat und den Vergleich zwischen früher und heute interessiert, findet in der gemeindlichen Homepage
www.dreiburgenland-tittling.de
viele Einblicke in die Heimatgeschichte Tittlings und des Dreiburgenlands.
HZ 2007