Ein Omnibus für Schiene und Straße
Bildbeschreibung
Ein Schi-Stra-Bus bei einer Probefahrt Anfang März 1953 beim Bahnhof Tittling. Schaulustige und Offizielle bei der Ankunft des Busses (oben li.) und zwei Bahnbeamte betrachten das Ganze mit etwas Abstand.
Unten links der vordere Spurwagen mit Bremsen. Der Bus wird vorne per Hydraulik hochgehoben und der Spurwagen unter den Bus geschoben. Daneben der hintere Spurwagen hinter den Hinterrädern des Busses, die auf den Schienen aufliegen.
Es handelt sich um einen roten Bahnbus, der auf Straße und Schiene fahren konnte. Auf der Straße fuhr er wie ein normaler Bus. Bei Schienenbetrieb hatte der Bus vorne und hinten Spurwagen, die ihn auf dem Gleis hielten. Die Hinterräder des Busses lagen auf der Schiene auf und sorgten für den Antrieb. Die Hinterräder hatten eine den Schienen angepasste Spurbreite. Der Bus hatte Türen zum Ein- und Ausstieg auf beiden Seiten. Triebwagenführer (Schiene) und Busfahrer (Straße) wechselten sich ab. Jeweils der andere übernahm als Schaffner den Kartenverkauf. Das Warnsignal auf der Straße war die Hupe, auf dem Gleis war es ein schriller Pfeifton wie bei einem Zug.
Der damalige Bundesverkehrsminister Seebohm wollte mit der Verbindung von Straße und Schiene die Verkehrserschließung im Bayerischen Wald verbessern.
Passau – Tittling – Cham war deutschlandweit die erste regelmäßig auf diese Art befahrene Strecke. Insgesamt waren 142,7 km zurückzulegen, davon lt. Fahrplan 68,5 km auf der Schiene. Straße: Passau – Tittling – Grafenau; Bodenmais – Kötzting; Schiene: Grafenau – Zwiesel – Bodenmais; Kötzting – Cham (später bis Furth i.W.).
Es kamen bei uns 3 Fahrzeuge dieser Bauart von Krauss Maffei zum Einsatz. Insgesamt wurden ca. 15 von ca. 50 produzierten Fahrzeugen deutschlandweit in Dienst gestellt. Zuletzt wurden die Busse nur noch auf der Straße eingesetzt.
Bevor es im Juni 1953 losging, wurden Probefahrten durchgeführt. Am 10. März 1953 fuhr erstmals ein Schi-Stra-Bus auf der Bahnstrecke Deggendorf – Tittling – Kalteneck. Der Schi-Stra-Bus kam aus Cham über Kötzting, Lam, Eisenstein und Deggendorf. Ein weiterer Bus traf um 16.20 Uhr auf der Straße in Tittling ein. Er kam aus Grafenau, wo er auf der Schiene aus Richtung Cham auf der Straße bzw. Schiene gefahren war. Das letzte Stück von Tittling nach Passau legte er wieder auf der Schiene über Kalteneck zurück.
An den nächsten beiden Tagen wurden weitere Probefahrten im Raum Tittling durchgeführt. Diese Probefahrten wurden als Anzeichen für die geplante Ostmarklinie von Passau nach Cham angesehen. Die Pläne zur Fahrt nach Passau auf der Schiene über Kalteneck wurden wegen der Steilheit der Strecke und den damit verbundenen Problemen im Winter aufgegeben.
Zwischenbemerkung: Vor den Probefahrten bei uns ab 10. März 1953 gab es im Jahr 1952 Testfahrten auf der Strecke Erlau – Wegscheid. Da man hier mit großen Problemen an den Steilstrecken in den Wintermonaten rechnete, wurde eine Realisierung an dieser Strecke nicht weiter verfolgt.
Der offizielle Start des planmäßigen Verkehrs auf der Strecke Passau – Cham erfolgte am 12. Juni 1953. Es gab täglich je eine Fahrt in beide Richtungen. Aus Rücksicht auf die Buslinien der Post und der privater Anbieter durfte der Schi-Stra-Bus zwischen Schönberg und Passau nicht halten. Dies stieß bei der Gemeinde Tittling wegen dieser Benachteiligung auf großes Unverständnis. Sah man doch für Einheimische und den aufkommenden Fremdenverkehr Vorteile durch diese neue Reiseverbindung.
Ende Januar 1954 hatten die Bemühungen der Gemeinde Tittling Erfolg. Ab sofort wurden zusätzliche Haltestellen für diesen Spezialbus an der Abzweigung nach Saldenburg an der B 85 und am Marktplatz Tittling eingerichtet. Der Bus aus Richtung Cham/Grafenau Richtung Passau kam um 15.08 Uhr an, der aus Passau Richtung Cham/Grafenau um 13.38 Uhr. Zwei Monate später kam der Wunsch, auch Haltestellen in Neukirchen vorm Wald und Ruderting einzurichten. Im Sommerfahrplan 1954 waren auch diese weiteren Haltestellen vermerkt.
Sommerfahrplan 1954, mit freundlicher Unterstützung von "Mein privates Kursbucharchiv"
Diese Ostmarklinie war für den Tourismus bedeutsam, ebenso für den Schülerverkehr. Im Winter 1953/54 musste der Bus auch auf der Strecke Zwiesel – Grafenau auf der Straße verkehren, weil die Schienen vereisten und der Schneekettenwechsel für den Straßenbetrieb zu zeitaufwendig war. Schneereiche Winter und vereiste Bahngleise erwiesen sich als starke Behinderung für diese Reisetechnik.
Die Informationsfahrt einer französischen Delegation der staatlichen Bahngesellschaft SNCF im Frühjahr 1957 endete unerfreulich. Der Schi-Stra-Bus blieb auf der Bahnstrecke zwischen Spiegelau und Frauenau mitten im Wald stecken, da die Räder durchdrehten. Die Franzosen und die deutschen Begleiter mussten zu Fuß zur nächsten Haltestelle marschieren.
Zum 1. Juni 1957 wurde still und leise die Linie mit dem Schi-Stra-Bus eingestellt. Er verschwand aus dem Fahrplan. In der Presse fand dies keine Erwähnung. Gründe für die Einstellung des Betriebs waren Probleme mit der Traktion im Herbst (Laub auf den Schienen) und Winter (Eis, Schnee), hohe Betriebskosten und technische Probleme am Fahrzeug.
Ein kurzes Video bei youtube zeigt u. a. den Schi-Stra-Bus zwischen Cham (im Film „Schamm“ ausgesprochen) und Passau.
Herbert Zauhar 02.2024