Seit Monaten bestimmt die Corona-Pandemie unser Leben, weltweit.
Keine Nachrichtensendung vergeht ohne dieses Thema. Als Schutz vor einer Ansteckungwerden von der überwiegenden Mehrheit die Impfungen angesehen, die gerade in vollem Gange sind.
Ein Impfzeugnis aus dem Jahr 1857 zeigt, dass es auch schon früher entsprechende Maßnahmen gab, um der Ausbreitung tödlicher Krankheiten zu begegnen.
„A(mtlicher) Schutzpocken-Impfungs-Schein
Der unterfertigte Gerichtsarzt des königlichen Landgerichts Passau I beurkundet hiermit auf dem Grunde auf der Impfliste des Bezirkes Tittling vom Jahr 1857 Ziffer 318 daß Georg Krenn geboren zu Tittling den 8. August 1856 bei der ordentlichen Schutzpocken-Impfung zu Tittling den 2. Juni 1857 geimpft worden, und daß gemäß der am 9. Juni 1857 vorgenommenen Kontrolle der Impfung von unzweifelhaftem Erfolge gewesen sei.
Gegeben zu Tittling den 9. Juni 1867
Dr. Erhard, Gerichtsarzt*“
Das neugegründete Königreich Bayern rief schon 1806 zur Impfung gegen Pocken auf, der schlimmsten Kinderkrankheit dieser Zeit. Da die Bevölkerung dieser Aufforderung nur ungenügend nachkam, wurde auf allerhöchsten königlichen Befehl im August 1807 eine Impfpflicht im ganzen Land gegen Pocken verordnet. Bayern war weltweit das erste Land, dass diese Impfpflicht einführte. Impfverweigerern drohten Geldstrafen. Diese erhöhten sich mit zunehmendem Lebensalter. Trotzdem waren die Impferfolge regional unterschiedlich.
1810 wurden die Geldstrafen verdreifacht und 1811 Ungeimpfte vom Schulunterricht ausgeschlossen. 1874 verfügte das neugegründete Deutsche Reich die Pocken-Impfpflicht. 1972 gab es die letzten Pockenfälle in Deutschland. Im Jahr 1976 wurde die Pocken-Impfpflicht aufgehoben.
Wie sah es um 1807 in Tittling, Witzmannsberg (und dem Pfarrort Neukirchen vorm Wald aus)?
Es finden sich im Sterbebuch der Pfarrei Neukirchen vorm Wald, zu der damals auch Tittling und Witzmannsberg gehörten, im Jahr 1806 Einträge von 20 Kindern, die an Pocken (Blattern) gestorben waren. 1807 bis 1816 gibt es nur einen Todesfall mit Pocken. Das lässt auf die Befolgung der Impfpflicht schließen.
Dafür starben im August bis Oktober 1808 zwölf Menschen an der Ruhr. Vier Jahre vorher raffte diese Krankheit 13 Tittlinger dahin. Daneben gab es noch eine Reihe weiterer ansteckender Krankheiten, die manheute mit Medikamenten heilen oder durch Impfungen verhindern kann. Auch Fortschritte auf dem Gebiet der Hygiene und der Ernährung drängten manche Krankheit zurück.
Im Jahr 1857, dem Jahr, in dem Georg Krenn gegen Pocken geimpft worden ist, starben wie meist, immer noch mehr Kinder (36) als Erwachsene (26).
14 Kinder starben an Scharlach, einer Krankheit, die man heute mit Antibiotika gut behandeln kann. An zweiter Stelle der Todesursache bei Kindern wird siebenmal „Fraisen“ aufgeführt. Es handelt sich dabei um Krampfanfälle, wahrscheinlich mit verursacht durch viele, kurz aufeinander folgende Schwangerschaften. Bei fünf Kindern wird als Todesursache die „Thymusdrüse“ angegeben. Sie erfüllt eine wichtige Aufgabe beim Aufbau des Immunsystems im Kindesalter.
Eine Kinderkrankheit, der auch in der Gegenwart wieder mit einer Impfpflicht begegnet werden soll, sind die Masern. Sie waren auch die Todesursache für das „Schmiedmeistertöchterchen Anny Streifinger, Schülerin des 3. Kurses, welches im Blütenalter von 8 Jahren und 4 Monaten“ am 18. Oktober 1926 verstarb.
* Dr. Alexander Erhard sen., (1801 – 1874), Gerichtsarzt (Amtsarzt), in seiner Freizeit Heimatforscher, Autor des Standardwerks „Geschichte der Stadt Passau“
Herbert Zauhar, 07.2021