Ausschnitt aus einer Landtafel von Apian aus dem Jahr 1568

Die erste Landkarte von Ober- und Niederbayern

hatte 1523 Johannes Aventinus (1477- 1534) er­stellt. „Aventinus“ ist die latinisierte Form seines Geburtsortes Abensberg („der Abensberger“). Sein eigentlicher Name war Johann Georg Turmair. Er stand in Diensten des bayerischen Herzogs.

Die Ortskenntnisse für sein Vorhaben hatte er sich bei seinen vielen Reisen verschafft. Der Plan ist umrahmt von den Wappen der Bischofsstädte und wichtiger Hauptorte. Die Beschriftungen sind in lateinischer Sprache. Das Flussnetz dient der räumlichen Übersicht. Die Lage der Orte ist verblüf­fend genau. Sie soll auf die Freundschaft mit dem Mathematiker, Astronomen und Geografen Peter Apian (1495 - 1552) zurückgehen, dem Vater von Philipp Apian.

In unserer Region sind lediglich die Orte Schärding, Osterhofen, Vilshofen, Passau und Grafenau aufgeführt. Das Dreiburgenland wird als hügelige Landschaft dargestellt. Die Flüsse Ilz, Donau, Inn und Isar sind hervorgehoben.

Auf Wunsch von Herzog Albrecht V sollte Philipp Apian (1531 – 1589, eigentlicher Name Philipp Bennewitz/Bienewitz) das Herzogtum Bayern erstmals genauer vermessen und kartografisch erfassen.

Mit diesen aussagekräftigeren Landkarten sollte die umfassende wissenschaftliche Arbeit von Aven­tinus über die Geschichte Bayerns („Bairische Chronik“) ergänzt werden.

Unmittelbar nach Auftragserteilung durch den Herzog begann Apian 1554 mit den Arbeiten, unter­stützt von seinem Bruder und einem Zeichner.

In den folgenden sieben Sommern bereiste er Ober- und Niederbayern, die Oberpfalz, das Erzbis­tum und Hochstift Salzburg und das Bistum Eichstätt. Apian bestieg Berge und Kirchtürme und führte mit den Hilfsmitteln der damaligen Zeit Vermessungen durch. Bei seinen Reisen muss er auch in unser Gebiet gekommen sein, wie der Kartenausschnitt zeigt.

Weitere zwei Jahre brauchte er zur Ausarbeitung. Im Jahr 1563 konnte Philipp Apian dem Herzog das Ergebnis seiner Arbeit zeigen, eine ca. 5 m mal 5 m große Karte im Maßstab von ca. 1:45.000.

Um das Kartenwerk auch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, ließ Apian es auf den Maßstab 1:144.000 verkleinern und die Gesamtkarte auf 24 Blätter aufteilen. Diese sind seither un­ter dem Begriff „Bayerische Landtafeln von Apian“ bekannt und berühmt.

Die 24 Bayerischen Landtafeln blieben für 250 Jahre die alleinige Grundlage für Kartenmacher in Bayern.

Die von 1554 bis 1563 von Apian erstellten Landkarten (Landtafeln) waren über 250 Jahre in Ge­brauch. Selbst Napole­on nutzte sie 1800 beim Einmarsch in das damalige Bayern.

Da die Apian-Karte für militärische Zwecke aber nur sehr eingeschränkt von Nutzen war, beauftrag­te Napo­leon seine Generalität, eine genauere Landkarte von Bayern zu erarbeiten. Weil die französi­schen Truppen bereits ein Jahr später Bayern wieder verließen, blieb das Vorhaben un­vollendet.

Der bayerische Kurfürst Max IV Joseph, der spätere König Max I gründete 1801 ein topographi­sches Büro, das die be­gonnenen Arbeiten fortsetzen und topographische Karten von ganz Bayern er­stellen sollte. Der Kurfürst sah dabei weni­ger den militärischen Nutzen, sondern die Möglichkeit, sie für die Zivilverwaltung und insbesondere für das Steuerwe­sen zu verwenden.

Mit den Arbeiten wurde sofort begonnen. Es wurde eine über 21 km lange, damals völlig un­bebaute Basisstrecke von München-Ober­föhring bis Aufhausen bei Erding vermessen und am Anfang und Ende der Strecke „Ba­sispyramiden“ errichtet. Die damalige Ver­messung war sehr genau. Mit den heutigen technischen Mitteln nachgemessen, ergibt sich lediglich eine Abweichung von 3 cm pro km. Als Nullpunkt der Vermessung wur­de die nördliche Turmspitze des Münch­ner Frauendoms gewählt. Von hier aus wurde ganz Bayern mit Drei­ecken überzogen. Als Eckpunkte dieser Drei­ecke wählte man markante Gebäudeteile, Gipfel von Bergen und Höhen oder errichtete weithin sichtbare Holzkonstruktionen.

Solche Fixpunkte (trigonometrische Punkte) gab es auch bei uns, u. a. am Blümersberg, auf der Preminger und Lueger Höhe, zwischen Hof und Farnham oder südlich der Englburg. Von diesen Fixpunkten ausgehend, wurde die Umgebung in viele weitere, kleinere Dreiecke aufgeteilt.

Zwei Jahre nach der Gründung des Königreichs Bayern im Jahr 1806 ordnete König Max I von Bayern die Vermessung aller Grundstücke im Königreich an. Dadurch sollte die Besteue­rung der Grundstücke verein­heitlicht und gerechter wer­den. Von 1808 bis 1864 wurden über 23.000 Uraufnahmeblätter, umgangssprach­lich „Urpläne“ ge­nannt, erstellt.

Bei den aufwändigen Vermessungen wurde auch die Geländeneigung berücksichtigt. Eine einheit­liche Ver­wendung von Kartensymbolen, die detailliert Auskunft über die Nutzungsart und Beschaffenheit der Grund­stücke und Gebäude sowie alle Besonderheiten gab, wurde vorgeschrieben.

Diese Vermessung war eine riesige Herausforderung für alle Beteiligten. Landvermesser, Ingenieurgeograf­en, Trigono­meter, Topografen und Geometer mussten ausgebildet werden. Für die an­spruchsvolle Vermes­sung wurden technische Geräte entwickelt. Im Jahr 1830 waren insge­samt 780 Personen in der Katasterver­messung in Trupps unterwegs.

Die Uraufnahmeblätter/Urpläne für die Gemeinden Tittling und Witzmannsberg wurden 1827 fertigges­tellt. Dabei wur­den die Grundstücke im Plan mit der Hausnummer des jeweiligen Besitzers versehen.

Diese Urpläne sind online auf den Seiten von „Bay­ernAtlas“ einsehbar. Es ist die Einstellung „Historis­che Karte“ zu wählen und der gewünschte Ausschnitt muss stark vergrößert/gezoomt werden.

 

Der Ortskern von Tittling im sog. Urplan von 1827

Die Straße nach Passau führte damals durch die Färbergasse und Insel. Am Marktplatz stand zu dieser Zeit die kleine Kirche St. Veit.

Die Umrisse des Altarraums wurden bei der letzten Marktsanierung durch große Pflastersteine gekennzeichnet.

 

Auf den Urplänen von 1827 wurden bei den Grundstücken die Nummer des Hauses vermerkt, zu denen es gehörte. Für jeden Besitz wurde anschließend erstmals ein Grundsteuerkataster, umgangssprachlich „Urkataster“ genannt, angelegt. Er diente der gerechten Besteuerung von Grund und Boden.

In Tittling wurde diese Veranlagung im Jahr 1841, in Witzmannsberg 1843 schriftlich festgehalten.

Vor der Erfassung aller Grundstücke und Anwesen im sog. Urkataster gab es schon Aufzeichnungen, die aber bei weitem nicht so aussagekräftig waren. So sind im 2. und 3. Herzogsurbar von etwa 1280 und 1310 die Besitzer und Hofgrößen erfasst. Sie waren für den bayerischen Herzog eine Art Besitznachweis und Grundlage für die Festsetzung der Steuer.

Ein Beispiel aus dieser Zeit:

Masering: 3 Anwesen, Halbbauer Egg, Dreiachtelbauer Althauser, Viertelbauer Pachpaur

Dem Herzog gehörten nicht alle Anwesen im Bereich der heutigen Gemeinden Tittling und Witzmannsberg. Andere Eigentümer waren z. B. die Herrschaft Fürstenstein, Saldenburg/Dießenstein, Witzmannsberg und das Kloster Osterhofen.

Im Jahr 1752 veranlasste der bayerische Herzog eine aktuellere Beschreibung seines Grundbesitzes. In der Hofbuchhaltung von 1760 findet diese ihren Niederschlag mit einer genaueren Beschreibung der jeweiligen Besteuerungsart und -höhe.

Für das heutige Anwesen Hörmannsdorf 4 sieht der Eintrag so aus:
Mayrhofer Caspar, aufn Arthuber Gut, Viertelbauer, Erbrecht, Die Gesamtsteuer an Fourage-, Vorspann- und Herdstättenanlage beträgt 1 fl., 54 X, 6 hl, „Mit dem Eigentum oder Grundherrschaft angehörig zur Herrschaft Englburg.“, Nachtrag über genutzte Grundstücke, von denen 1752 nichts bekannt war: Caspar Mayrhofer zu Hörmanstorf besitzt 2 Äcker 1 Jochant/Tagwerk, 3 Tagwerk Wiesen und 2 Tagwerk Holzgrund.


In den Kirchenbüchern lassen sich ebenfalls Rückschlüsse auf die Besitzfolgen der einzelnen Anwesen ziehen. So war es früher üblich, dass bei der Heirat des Hoferben oder der Hoferbin der Grund- und Hofbesitz auf das Brautpaar überging. Die Eltern gingen ab diesem Zeitpunkt in den Austrag.

Für die Pfarrei Tittling gibt es eine weitere wertvolle Quelle über die Besitzfolge der Anwesen in den Gemeinden Tittling und Witzmannsberg.

Um etwa 1835 hat der damalige Expositus ein „Verzeichnis der Hausbesitzer wie solche seit ca. 200 Jahren aufeinander folgten“ angelegt.

Nach der Erstellung des Urplans und der Nummerierung aller Grundstücke ging die königliche Verwaltung daran, jedes einzelne Anwesen akribisch zu erfassen und in einem Liegenschaftskataster zu dokumentieren. Diese erste umfassende Erfassung wird auch als Grundsteuerkataster und umgangssprachlich als „Urkataster“ bezeichnet.

Bei uns in Tittling war diese Erfassung im Jahr 1841 abgeschlossen, in Witzmannsberg 1844.

Der Urkataster enthält eine Fülle von Angaben, die für Familien- und Heimatforscher eine wahre Fundgrube sind.

Neben der damaligen Hausnummer wird der jeweilige Besitzer, sein Beruf, oft der damals übliche Hausname oder ein besonderes Recht angegeben.

Dazu einige Beispiele:

Stöger Johann, Schuhmacher, Wohnhaus mit realer Schuhmachergerechtigkeit (heute Berggasse 4)

Gruber Johann, Schmied, Schmiedhaus mit realer Schmiedgerechtsame (heute Marktplatz 7)

Bauer Georg, beim Hansirglbauer, das Hansirgl- oder Nebauerngut (heute Hohenwart 9)

Loos Joseph, das Hafnergütl mit realer Hafnergerechtigkeit (heute Loizersdorf 22)


Es folgt
eine genaue Besitzbeschreibung. Bei den meisten Anwesen im Marktbereich wird auch eine Dungstätte angegeben, ein Hinweis auf eine kleine zusätzliche Landwirtschaft.

Bei den Grundstücken werden die Flurnummer und die damals gebräuchlichen Grundstücksnamen angegeben. Dazu einige Beispiele:

Weiheracker, Brunnwiese, Gras- und Baumgarten, Krautackerl, Lehmgrube am Schüsselholz, Lebzelterwiese, Hafnerwiese, Donisiwiesl, Ziegelacker, Hopfengarten, Stierwiese, Haarhausöden, Siebenhasen-, Hötzendorfer- und Blümersbergacker, Rothaumühlfeld, Äcker im Steinhügelfelde


Bei den Grundstücken wurde das Wässerungsrecht oder die Unterhaltspflicht für gemeinsame Einrichtungen genau geregelt.

Erst 1848 endete die Zeit der adeligen Gutsherrschaft (Lehensgeber). In einer Art „Bauernbefreiung“ wurden die Bauern und sonstigen Grundbesitzer zu Eigentümern ihres Besitzes. Die Grundlasten gegenüber der Grundherrschaft (und gegenüber Dritten) wurden gestrichen oder in einen festen Bodenzins umgewandelt.

Im Urkataster von 1841 sind alle Lasten aufgeführt, die zu dieser Zeit noch in natura oder finanziell von unseren Vorfahren zu leisten waren. Dazu einige Beispiele:

Laudemium (Erbschafts-/Besitzübergangssteuer), Grundzins, Gespunstgeld, Groß- und Kleinzehent, Getreidedienst, Heu- und Grummetzehent, Obst- und Gartenzehent, Blutzehent, Küchendienst, Flachszehent, Scharwerkgeld, Jagdscharwerkgeld, Naturaldienst, Diensthaber, Hofbauscharwerk, Futterhaber, Vogteihaber, Kaplangeld, Uhrgroschen für den Mesner, Kornläutgarben u. a.


Die Gutsherrschaft war bis 1848 Eigentümer allen Grund und Bodens. Die Bauern und Marktbürger
waren nur Lehensnehmer. Sie konnten den Besitz aber im Regelfall an Nachkommen vererben.

Um diese Zeit ging die Gerichtsbarkeit über die Untertanen von den Gutsherren auf das Königreich Bayern über. Zur Zeit des Urkatasters gab es in unserem Gebiet diese Zuordnungen:

grundbar zur Gutsherrschaft Tittling, Englburg, Saldenburg, Witzmannsberg

gerichtsbar zum Patromonialgericht Englburg, Kgl. Landgericht, Witzmannsberg, Pfleggericht Dießenstein

 
Aufbauend auf den Urkataster wurde in den folgenden Jahren bis in die Gegenwart in sogenannten Umschreibeheften alle Besitzveränderungen, Zu- und Verkäufe von Grundstücken sowie größere bauliche Veränderungen festgehalten.

So ergibt sich für jedes einzelne „alte“ Anwesen eine Hausgeschichte bis in die Gegenwart.

Diese Hausgeschichten sind in einem unveröffentlichten Häuserbuch von Tittling für alle alten Anwesen enthalten.

Bei berechtigtem Interesse für ein bestimmtes Anwesen bitte ich um Kontaktaufnahme.


H
erbert Zauhar, 2020