Der Stierhüter, Ausschnitt aus einem Holzschnitt von Wilhelm Niedermayer

Hirtenhäuser, Stierwiesen und Gemeindestier

Im Urkataster ist bei den meisten Ortschaften (damals als „Ortsgemeinde“ bezeichnet) die „Hausnummer“ ½ aufgeführt. Unter dieser Num­mer wurde der Besitz der jeweiligen Ortsgemeinde, also das Gemeineigentum aller Bauern aufge­führt. Es war „unfürdenkliches“ Eigentum der Ortsgemeinde, die frei darüber verfügen konnte.

Zum Gemeineigentum gehörten meist kleine geringwertige Grundstücksflächen. Das Wegenetz gehörte ebenfalls der Dorfgemeinschaft, musste aber auch das ganze Jahr über von allen verkehrstüchtig gehalten werden. Weitere Gemeinschaftseinrichtungen waren das Haarhaus, in Einzelfällen eine Lehmgrube, ein Hir­tenhaus und eine Stierwiese.

Hirtenhäuser

In Preming gab es 50 m südlich des heutigen Anwesens Passauer Straße 96 ein Hirtenhaus. Es war ein Wohnhaus mit Stallung und einem eigenen Backofen. Hier lebte in einfachen Verhältnissen der Hirte der Ortschaft Preming.

Auch in Eisensteg ist ein Hirtenhaus verzeichnet. Es lag wohl 300 m westlich der Ortschaft auf Ge­meinschaftsgrund.

Grundstücksnamen wie Hirtenpoint, Hirtenreut, Hirtenacker und Hirtenholzackerl in den Ortschaf­ten Hörmannsdorf, Rothau und Stützersdorf deuten auf die Tätigkeit von Hirten in diesen Ortschaf­ten hin.

Stierwiesen für den Stier der Ortsgemeinschaft

Im Urkataster von 1843 sind bei einigen Ortschaften „Stierwiesen“ auf dem Grund der jeweiligen Ortschaft aufgeführt. Dort wurde der für die Ortschaft benötigte Stier geweidet oder das benötigte Gras und Heugeerntet. Durch einen für die Zucht besonders geeigneten „Gemeinschaftsstier“ war nicht jeder Bauer gezwungen, aufwändig einen eigenen Stier zu halten.

Die im Urkataster auf dem Grund der Ortsgemeinschaft aufgeführten Stierwiesen sind:

Gehersberg, im Bereich des heutigen Muther Weihers (alte Fl.Nr. 1883) die untere Stierwiese und die obere Stierwiese (2020) - Göttersberg, im Bereich des heutigen Muther Weihers (1885) -

Hörmannsdorf, 150 m östlich des Dorfes nahe der alten Straße nach Schönberg (über Hohenwart) (786) - Preming, westlich der Ortschaft (4149) - Pretz, 360 m südwestlich von Pretz (3351) -

Stützersdorf, 900 m nordwestlich des Dorfes (1326)

Im Laufe der Zeit erhielt die politische Gemeinde die Verpflichtung, für einen Gemeindestier/Ge­meindebullen zu sorgen. Dieser Stier (Vatertier) musste für die Zucht besonders geeignet sein. Die Auswahl und Klassifizierung der Zuchtbullen erfolgte bei Körungen. Vatertiere durften nur gekörte Stiere sein und eine Deckerlaubnis musste vorliegen.

Bei der Hauptkörung 1953 am Tittlinger Marktplatz kamen 18 Bullen aus Tittling und 11 Bullen aus Witzmannsberg zum Auftrieb. 1955 fand die Hauptkörung am alten Tittlinger Sportplatz (heute Volksfestplatz) statt.

Im PNP-Bericht über die Hauptkörung 1962 sind folgende Halter von prämierten Stieren aufge­führt: Regner (Adlhof), Max Bürgermeister (Gatzerreut), Georg Bauer (Hohenwart), Josef Mögin­ger (Hohenwart), Josef Breinbauer (Kafering), Matthias Liebl (Kothingrub), Anton Breinbauer (Lueg), Anton Eibl (Lueg), Matthias Mader (Masering), Franz Dankesreiter (Muth), Johann Kol­ler (Pretz, Halter des Tittlinger Gemeindestiers), Georg Eibl (Rappenhof);

Halter von prämierten Jungbullen: Josef Braml (Enzersdorf), Josef Radlinger (Kafering), Josef Schuh (Roitham), Josef Duschl (Preming);

Den letzten „amtlichen“ Tittlinger Gemeindestier hatte bis in die 1980er Jahre die Familie Koller in Pretz. Daneben gab es im VG-Bereich weitere Bauern, die einen eigenen, „gekörten“ Stier für ihren Viehbestand hatten.

Die Verbreitung der künstlichen Besamung bedeutete das Ende der Stierwiesen und eines offiziellen Gemeindestiers.

Herbert Zauhar, 08.2020